„Männer können das nicht so gerne“

Rückblick auf den Equal Care Day 2023 im Haus der Kirche in Bonn

„Männer können das nicht so gerne“, so brachte Comedian Florian Hacke die geschlechterungleiche Verteilung der Care-Arbeit beim Equal Care Day am 1. März 2023 in Bonn auf den Punkt. Einen ganzen Tag lang ging es im Haus der Evangelischen Kirche um mehr Sichtbarkeit, Wertschätzung und eine faire Verteilung von Mental Load, Sorge-, Pflege- und Versorgungsarbeit.

 

Equal Care ist kollektive Gewaltprävention

Asha Hedayati. Foto: berndlauter.com
Asha Hedayati. Foto: berndlauter.com

Besonders eindrücklich berichtete Asha Hedayati, Rechtsanwältin für Familienrecht und Ausländerrecht, in ihrer Keynote „Equal Care ist kollektive Gewaltprävention“ zu Beginn am Beispiel ihrer Mandantin Maria von einer Gewaltspirale in ihrer Beziehung, die durch die einseitige Rollenverteilung der Care-Arbeit auf Maria als Mutter und Hausfrau in Gang gesetzt wurde. Hedayati prangerte sehr deutlich an, dass unsere derzeitigen gesellschaftlichen Strukturen Abhängigkeitsverhältnisse und Gewalt gegen Frauen in Beziehungen stabilisieren. Zwar haben Frauen in Deutschland rein rechtlich die Freiheit sich aus gewalttätigen Beziehungen zu lösen, in der Praxis haben sie in Deutschland nach einer Trennung vor allem jedoch die Wahlfreiheit zwischen Armut oder Burnout, so Hedayati. Als Gründe nennt sie patriarchale Denkweisen und problematische Männlichkeitsbilder, die in Familien gelebt und damit auch Kindern immer noch vorgelebt werden. Bezeichnend findet die Anwältin in diesem Zusammenhang, dass das Wort Familienversorger in Deutschland eine Person meint, die die Familie ausschließlich ökonomisch versorgt. Doch warum gibt es kein Wort für die Person, die die Familie emotional und psychisch versorgt? Allein in dieser Begrifflichkeit manifestiert sich, wie wenig Wert die emotionale Sorgearbeit in unserer Gesellschaft hat. Equal Care ist wesentlich für den Weg raus aus den Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen hin zu einer Welt, in der Frauen ein freies und vor allem gewaltfreies Leben führen können, so das Resümee von Asha Hedayati am Ende ihres berührenden Vortrags.

 

Die Relevanz des Unsichtbaren

Almut Schnerring. Foto: berndlauter.com
Almut Schnerring. Foto: berndlauter.com

Im Anschluss sprach Almut Schnerring, Initiatorin des Equal Care Day, zum Thema Care und Mental Load über die Relevanz des Unsichtbaren. Mit dabei hatte sie auf der Bühne eine Handtasche als Symbol für die unfaire Verteilung des Mental Load und verwies auf die kostenlosen Mental Load Tests auf der Homepage der Initiative Equal Care Day. Historisch ging sie in ihrer Argumentation bis ins 18. Jahrhundert zu Adam Smith, dem Urvater der Ökonomie und des Kapitalismus, zurück.

In dessen Analysen kommt Care-Arbeit gar nicht vor und das hat sich bis heute nicht geändert, da Care-Arbeit auch bislang nicht in das Bruttoinlandsprodukt einberechnet wird und somit im gesamten Wirtschaftssystem unsichtbar bleibt. Im interaktiven Austausch mit dem Publikum lud Almut Schnerring ein, gemeinsam über die Frage zu reflektieren, was wir alle gewinnen, wenn wir Mental Load auf mehr Schultern verteilen.

Florian Hacke. Foto: berndlauter.com
Florian Hacke. Foto: berndlauter.com

Anschließend erklärte der Comedian Florian Hacke auf humorvolle Art und Weise, warum Männer Care-Arbeit nicht so gerne können und sorgte für diverse Lacher und Schmunzeln im Publikum.

 

 

Care-Atelier

Care-Atelier. Foto: berndlauter.com
Care-Atelier. Foto: berndlauter.com

Die nachfolgende Mittagspause wurde von den Teilnehmenden rege zur Vernetzung und zum Austausch über die bisherigen Impulse genutzt. Außerdem hatte das Care-Atelier von Hoernemann & Walbrodt geöffnet, indem man sich mit allen Sinnen mit dem Thema Care auseinandersetzen konnte. Viele der Teilnehmenden nutzten gerne das angebotene Material und trugen ihren eigenen Teil zur gemeinsamen Care-Skulptur bei, die am Ende des Tages gemeinsam besichtigt und gewürdigt wurde. Den Veranstaltenden war es ein wichtiges Anliegen, dass das Thema Care beim Equal Care Day nicht nur kognitiv über diverse Vorträge und Diskussionen, sondern ganzheitlich mit Kopf, Herz und Hand erfahrbar ist. Daher waren diverse künstlerische Interventionen fester Programmbestandteil des Equal Care Day in Bonn.

 

Was hat Care mit Städteplanung zu tun?

Podiums-Diskussion.zur care-sensiblen Städteplanung. Foto: berndlauter.com
Foto: berndlauter.com

Der Nachmittag begann mit einer Podiumsdiskussion zu dem relativ neuen Thema care-sensible Städteplanung. Podiumsgäste waren die leitende Stadtplanerin von Bonn, Petra Denny, die Architektin und Autorin Karin Hartmann sowie Heidi Tiemann von der Stiftung Alltagsheldinnen. Problematisiert wurde dabei, dass zu wenig Frauen und Eltern in Entscheidungspositionen sitzen, sodass die Perspektive von Care-Verantwortlichen bei Planungsprozessen oft nicht angemessen mitberücksichtigt wird. Im Ergebnis gibt es für viele Menschen mit Care-Verantwortung dadurch oft weite Wege durch die Stadt – vom Wohnort über KiTa oder Schule zum Arbeitsort. Eine Stadt der kurzen Wege, wo Wohnen und Arbeiten sowie soziale Infrastruktur möglichst in der Nähe liegen, würde aber zu einer besseren Lebensqualität für alle Menschen führen. Wichtig sind hierbei auch öffentliche Räume und Flächen in der Stadt für Vergemeinschaftung, damit Menschen sich überhaupt kennenlernen, treffen und langfristig dann in guter Nachbarschaft auch gegenseitig unterstützen können.

 

Barrierefreiheit, Care-Landschaft, Care & Kunst

Dominique Macri. Foto: berndlauter.com
Dominique Macri. Foto: berndlauter.com

In der anschließenden Workshop-Phase konnten die Teilnehmenden vor Ort zwischen diversen Resonanzräumen zur weiteren Vertiefung wählen oder auch noch einmal das Care-Atelier besuchen. Zum Abschluss des Equal Care Days in Bonn bot Dominique Macri einen lyrischen Rückblick auf den Tag, indem sie feinsinnig und oft auch schmunzelnd die Highlights des Tages Revue passieren ließ. Sie erzählte dabei auch von der digitalen Care-Landschaft, auf der sich über 300 Menschen als Avatare versammelt hatten, um nicht nur das Bonner Programm des Equal Care Day zu verfolgen, sondern auch die anderen Bühnen etwa aus Graz oder Berlin und wo auch sogenannte digitale Lagerfeuer die Möglichkeit zur Vernetzung boten. Die digitale Teilnahmemöglichkeit sollte auch Menschen mit Care-Verantwortung eine Teilhabe an der Equal Care Day Konferenz ermöglichen.

Dank einer Förderung durch die Aktion Mensch e.V. konnte zudem das komplette Programm des Equal Care Day im Haus der Kirche in Bonn sowohl in Gebärden als auch in leichte Sprache übersetzt werden. Zusätzlich war ein Ruheraum mit Stream des Programms eingerichtet worden, um beispielsweise neurodiversen Menschen eine Rückzugsmöglichkeit zu bieten und dennoch eine Teilhabe zu ermöglichen.

Kathrin-S-Kuerzinger-und-Foto-berndlauter.com
Kathrin-S-Kuerzinger-und-Foto-berndlauter.com

Die Veranstaltenden zogen am Ende des Tages ein positives Resümee und freuten sich insbesondere darüber, dass endlich wieder die Möglichkeit zu einem großen Zusammentreffen in Präsenz möglich war und sich die inhaltlichen Impulse so gut mit den künstlerischen Interventionen ergänzten, die den Equal Care Day zu einer ganz besonderen Konferenz mit eigenem Care-Spirit machten.

 

Video-Highlights:

Comedy von Florian Hacke: Männer können das nicht so gerne

Podiumsgespräch über care-sensible Städteplanung

Weiter Videos der Veranstaltung finden Sie hier .

 

Text: Dr. Kathrin S. Kürzinger

Hintergrundinformation: Veranstaltet wurde der Equal Care Day u. a. von Klische*esc.e.V., UN Women Deutschland e.V., dem Evangelischen Forum Bonn und der Evangelische Akademie im Rheinland.

  • 17.5.2023
  • Red
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