Halleluja: Es ist Ostern!

Christus ist auferstanden. Der Tod ist besiegt. Halleluja! Ich liebe Ostern!

Das ist, wie wenn das Leben selbst Geburtstag hat. Eine neue Welt anbricht.

Da schlägt es dreizehn für den Tod. Sieben Richtige für die Liebe.

Der Besiegte wird zum Sieger. Unrecht und Gewalt haben keinen Bestand.

Ich bekomme gar nicht genug von den Osterliedern und vom Halleluja-Singen.

Und beim Singen nimmt mein Glaube den Mund voller, als er es sonst je täte.

Doch das mit dem Osterglauben und dem Halleluja-Singen fällt im Alltag gar nicht so leicht. Mir zumindest. Da bestimmen Gewalt und Tod die Schlagzeilen.

Todesanzeigen gibt es zuhauf. Auferstehungsnachrichten sind rar.

Umso wichtiger sind die alten Oster-Geschichten, die uns die Bibel erzählt.

Sie können mir die Augen öffnen für die andere Wirklichkeit der Auferstehung.

Heute möchte ich Ihnen eine meiner Lieblings-Ostergeschichte erzählen.

Es ist die allererste Ostergeschichte. Markus ist der erste, der sie erzählt.

Und vielleicht ist es die genialste überhaupt.

Weil es keine platte Erfolgsgeschichte ist nach dem Motto:
„Früher war alles schlecht, doch dann wurde alles super.“

Weil mein Un-Glaube und meine Zweifel darin Raum haben.

Ostern ist eben so unglaublich, das können wir gar nicht glauben.

Und: Weil in ihr zugleich erzählt wird, wie es trotzdem geschieht.

Diese Geschichte ist für alle, die gerne glauben würden, aber nicht wissen, wie.

Für alle, die den Schmerz kennen, das Liebste verloren zu haben.
Und die dennoch von der Liebe nicht lassen können.

Für alle, die sich nach Sinn, Halt, Hoffnung sehnen – über den Tod hinaus.

Doch hören Sie einfach einmal selbst:

Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?  Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß.

Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich. Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingeht nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemand etwas; denn sie fürchteten sich.

In der Geschichte ist nichts so, wie es sein sollte.

Das Grab ist leer. Der Leichnam ist weg. Der Auferstandene ist nicht zu sehen.

Der Engel hat nicht einmal Flügel. Und die Frauen als erste Zeuginnen des Wunders?

Sie laufen weg und sagen niemandem ein Wort, „denn sie fürchteten sich“.

Na dann: Frohe Ostern!

Das Wunder kommt hier eher leise daher. Wie ein stilles Drama in drei Akten.

1. Akt: Die Geschichte beginnt mit dem uralten Kampf zwischen Liebe und Tod.

Auf der einen Seite die drei Frauen, die beiden Marien und Salome.

Mit nichts in der Hand als etwas Öl und nichts im Herzen außer Leere, Schmerz. Auf der anderen Seite der Stein, der Fels vor dem Grab. Inbegriff der harten Wirklichkeit des Todes.

Öl versus Stein. Weich gegen hart. Das Symbol der Liebe wider das Symbol des Todes.

Die drei Frauen ziehen los, um Jesu Leichnam zu salben. Wenigstens das. Die Totensalbung. Ein Akt der Zärtlichkeit als letzte Ehre.

Sie sind nicht verwandt, verschwägert mit ihm. Doch auf seinem Weg sind sie ihm nachgefolgt, haben an ihn geglaubt.

Von den Jüngern, Jesu engsten Freunden und Vertrauten, ist nichts zu sehen. Die Herren der Schöpfung haben sich in die Büsche geschlagen. Frauen waren die letzten am Kreuz und die ersten am Grab.

Die ersten Zeuginnen von Ostern sind die, deren Wort in der männerdominierten Welt damals nichts oder wenig gilt.

Die drei Frauen ziehen also los – ohne Plan, wie sie den Fels wegbekommen.
Ohne Hoffnung gegen den Tod.

Doch dieses Mal, dieses eine Mal wird der uralte Kampf anders ausgehen. Ein für alle Mal.

Es ist die Zeitenwende. Nicht die Zeitenwende wie heute mit der neuen Wirklichkeit des Krieges in Europa. Sondern die Zeitenwende mit der neuen Wirklichkeit der Liebe. Der Beginn einer neuen Welt.

In der Geschichte klingt dieser Neubeginn sehr zart an in der fein formulierten dreifachen Zeitangabe:

Am ersten Tag der Woche – sehr früh – als die Sonne aufgeht.
Das ist der Moment, als die Frauen beim Grab eintreffen.

Das ist die Zeit des Wunders.

Und ab jetzt beginnt alles kopfzustehen.

Nach der Konfrontation von Liebe und Tod kommt der zweite Akt:
die Begegnung mit dem Engel.

Die Ostergeschichte handelt zunächst von einer Leerstelle.

Die Frauen gehen in das Grab. Kein Leichnam. Nur Tücher.

Ein Jüngling sitzt da im langen weißen Gewand. Er gehört offensichtlich nicht dorthin.
Strahlend. Durchsichtig. Er verschwindet ganz hinter seiner Botschaft.

Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten.
Er ist auferstanden, er ist nicht hier.
Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten.
Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus,

dass er vor euch hingeht nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.“

Es ist ein bisschen wie beim Engel an Weihnachten bei den Hirten.

Hier wie dort das: „Fürchtet euch nicht!“ Hier wie dort die Verheißung, Christus zu entdecken.

Hier wie dort der Auftrag, sich auf den Weg zu machen an einen anderen Ort.

Die Frauen suchen den Gekreuzigten. Der Engel verweist sie an den Auferstandenen.

Er schickt sie vom Tod zurück ins Leben. Nach Galiläa. Zurück auf Los.

Dorthin, wo ihre gemeinsame Geschichte mit Jesus Christus begonnen hat.

Dorthin, wo er Kranke geheilt, Traurige getröstet, Hungrige gespeist, Gottes Reich verkündet hat.
Dort werden sie ihn neu sehen – gemeinsam mit all den anderen.

Und erst hier kommen die Männer wieder ins Spiel: Petrus und die anderen Jünger.

Wir kommen zum dritten Akt: dem überraschenden Ende mit Schrecken und Schweigen.

Und die Frauen gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemand etwas; denn sie fürchteten sich.“

Wow, was für ein Schluss.

Kein schlagartiges Bekehrungswunder. Keine missionarische Erfolgsmeldung nach der Art:

Und die Frauen eilten freudig hin und erzählten es allen: Halleluja. Der Herr ist auferstanden.“

Stattdessen: Zittern, Entsetzen und Schweigen. Weil es eben so unglaublich ist:

Wenn das wahr wäre …!“ „Das glaubt uns doch niemand …!“ „Was soll das bedeuten …?“

– Dass der Tod nicht das Ende ist.

– Dass die Geschichte anders ausgeht und die Gewaltherrscher nicht damit durchkommen.

– Dass Gott selbst auf der Seite der Opfer und Unterdrückten steht.

– Dass der gekreuzigte Christus auferstanden ist.

– Dass Gottes Liebe am Ende stärker ist als der Tod.

Das zu begreifen, fällt schwer. Weil es alle menschliche Erfahrung auf den Kopf stellt.

Dazu braucht es mehr als ein leeres Grab und einen Jüngling in weißen Kleidern.

Der Glaube braucht Zeit, um mit dem Wunder Schritt zu halten.

Und es braucht letztlich die Begegnung mit dem Auferstandenen selbst.

Und sie sagten niemand etwas; denn sie fürchteten sich.“
Mit diesem Cliffhanger endet ursprünglich das Markus-Evangelium.

So kann aber doch kein Evangelium enden“, dachten viele –

und haben deshalb eine Zusammenfassung anderer Ostergeschichten an dieses offene Ende angefügt.

Doch die ursprüngliche Pointe ist:

Wenn Du am Ende des Buches vom Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christ bist, dann fang wieder von vorne an – doch lies es diesmal von Ostern her.

Wenn Du am Ende dieser Geschichte bist, dann geh selbst hin in Dein Galiläa, in deinen Alltag, und folge dort Jesus Christus nach.

Wenn Du am Grab stehst, dann geh zurück ins Leben und lebe als einer, über den der Tod keine Macht mehr hat.

Ich weiß nicht, wie Ihre Oster-Geschichte geht – wo Sie mit dem Sterben, dem Tod konfrontiert sind und ob Sie eine Hoffnung wider den Tod haben.

Ostern, das ist für mich, wenn ich die Nummer meiner verstorbenen Eltern einfach nicht aus meinem Handy lösche. Weil ich glaube, dass Gottes Geschichte mit ihnen weitergeht, auch wenn ich sie nicht mehr erreiche.

Ostern ist, wenn ich gemeinsam mit anderen „nach Galiläa“ gehe und versuche, Christus nachzufolgen: Traurige trösten, Einsame besuchen, Hungrige speisen –
im Vertrauen darauf, dass der Auferstandene dabei selbst mitten unter uns ist.

Ostern ist, wenn ich gemeinsam mit anderen Hass, Gewalt, Unrecht widerspreche – in der trotzigen Hoffnung, dass Gott es am Ende gut machen wird.

Ostern ist, wenn wir wie die Frauen dem Tod nicht das letzte Wort lassen.

Es brauchte Zeit, bis die beiden Marien und Salome damals ihr Halleluja anstimmten.

Ohne ihr Zeugnis würden wir heute nicht glauben.

Es braucht manchmal Zeit, bis Sie, bis ich unser Halleluja singen können.
Doch wir dürfen darauf vertrauen: Auch das bekommt der Auferstandene hin.

Bis dahin leihen wir uns die Ostergesänge unserer Mütter und Väter im Glauben.

Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja!


Theologische Impulse (163) von Präses Dr. Thorsten Latzel

Weitere Impulse: www.glauben-denken.de
Als Buch: www.bod.de

  • 20.04.2025
  • Thorsten Latzel
  • Red