Warnung vor den falschen Propheten in Kirche, Politik und Wirtschaft

Düsseldorf/Hannover. „Ich finde es erschreckend, wie sehr Religion und Glauben heute politisch instrumentalisiert und missbraucht werden“, so Dr. Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, auf dem 39. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover. Gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden der Bank für Kirche und Diakonie, Dr. Ekkehard Thiesler, gestaltete er zum Auftakt des dritten Veranstaltungstages eine Dialogbibelarbeit zum alttestamentlichen Brief des Propheten Jeremia an die Israeliten im babylonischen Exil . Beide waren sich einig, dass Jeremias Warnung vor den falschen Propheten bis heute ihre Gültigkeit hat.

Präses Latzel nannte als Beispiele die Repräsentanten der russisch-orthodoxen Kirche, die den Ukraine-Krieg religiös begründen, Teile der evangelikalen Bewegung in den USA, die einen autokratischen Präsidenten religiös legitimieren, aber auch den Missbrauch der christlichen Botschaft als Wohlstandsevangelium „zum religiösen Framing meines Lebensstils auf Kosten anderer Menschen, Geschöpfe und Generationen“. Wirtschaftswissenschaftler Thiesler griff auf Entwicklungen in seinem Berufsfeld zurück: „Nachdem Atomenergie und Erdgas als Kompromiss des Green Deals in der Europäischen Union als nachhaltig eingestuft worden sind, gibt es jetzt die Diskussion, ob Rüstungsunternehmen auch nachhaltig sind. Der Europäische Bankenverband und auch die deutsche Kreditwirtschaft haben schon in diese Richtung votiert. Wir gehen davon aus, dass die EU hier folgen wird. Wir sagen ganz klar: Das ist der falsche Weg!“ Aktien oder Anleihen von Rüstungsunternehmen seien nicht nachhaltig.Wollen wir als christliche Geldanleger, als Kirche oder als Kirchenbank von der Zerstörung der Infrastruktur und dem Leid der Menschen profitieren?“

Latzel: Das Gefühl des Exils kann viele Gesichter tragen

„Die Macht der Großmächte ist begrenzt“ – das ist für Latzel die aktuelle Pointe des Prophetenbriefs. Der Brief Jeremias könne für die Situation von Menschen im Exil sensibilisieren. „Er lässt sich lesen als Anleitung an Entheimatete, zum Wohl der Fremde beizutragen. Aber er lässt sich auch verstehen als eine Aufforderung an uns als ,Babylonier‘: Suchet der Fremden Bestes und betet für sie. Denn wenn es ihnen gut geht, dann geht es euch gut.“ Das Gefühl des Exils könne dabei viele Gesichter tragen, auch im eigenen Land: in der Einsamkeit der eigenen vier Wände, bei alten Menschen mit Demenz, bei jungen Menschen im Übergang von Schule zu Ausbildung oder Studium. Jeremias Brief leite zu einer „Resilienz des Glaubens an: Lass dich nicht von außen bestimmen!“

Thiesler: Antisemitismus ist salonfähig geworden

Bankvorstand Thiesler, der auch Mitglied im Finanzausschuss der Stiftung Auschwitz-Birkenau ist, erinnerte daran, dass aus dem Deutschland der 1930er- und 40er-Jahre für die jüdischen Menschen ein Babylon viel größeren Ausmaßes gewachsen sei. „Und mein Eindruck ist, dass wir in Deutschland gerade im Begriff sind, für die Jüdinnen und Juden ein neues inneres Gefängnis aufzubauen. Viele haben Angst, die Kippa in der Öffentlichkeit zu tragen, ihre Identität zu offenbaren. Auch sind antisemitische Äußerungen wieder salonfähig geworden. Das bereitet mir große Sorge.“

Ein Glaube, der auf Gottes Zukunftsverheißungen baut

Es lohne sich, den alten Brief neu zu lesen, „um auch an einer verrückten Welt nicht irre zu werden“, sagte Latzel in der gut besuchten Messehalle 16. In den Empfehlungen gehe es um praktizierten Glauben, der auf Gottes Zukunftsverheißungen baue. Auch Thiesler betonte die Hoffnungsbotschaft aus Bankersicht: „Wir sind gefangen im Geld. Aber mit Lukas sage ich: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon! Das heißt konkret, mit Geld Gutes zu bewirken. Das versuchen wir als Bank. Und jede oder jeder von uns kann etwas dazu beitragen.“

  • 02.05.2025
  • Ekkehard Rüger
  • EKiR/Ekkehard Rüger